Analyse: Am Donnerstagabend spielt RB Leipzig im Viertelfinale der Champions League gegen Atletico Madrid. Mit ihrer Art zu spielen sind die Spanier wohl der unangenehmste Gegner, den RB hätte bekommen können. Für Leipzig wird es gegen Atletico schwierig werden.
Atletico Madrids Präsident Enrico Cerezo ist sehr zuversichtlich, dass seine Mannschaft am Donnerstag gegen RB Leipzig das Halbfinale der Champions League erreichen wird. Ein gutes Los seien die Leipziger gewesen, das Weiterkommen wäre zweifelsfrei möglich. Auch wenn diese Aussagen ziemlich hochnäsig sind, hat er so ganz unrecht damit nicht.
Selbstverständlich sind die Leipziger ein sehr schwieriger Gegner, der im Achtelfinale den Tottenham Hotspur keine Chance ließ und auch in der Bundesliga eine großartige Runde hinter sich hat. Doch mit Blick auf die Spielweisen der beiden Mannschaften wird schnell klar, dass die beiden Teams gegensätzlicher nicht sein könnten. Und das macht es für Leipzig gegen Atletico schwierig.
Leipzig steht für schnellen und vertikalen Fußball
Die Leipziger stehen, wie alle Klubs unter dem Zeichen des Brauseherstellers aus Österreich, für aggressiven und schnellen Fußball. Der Gegner soll permanent unter Druck gesetzt werden, bei eigenem Ballbesitz soll es schnellstmöglich nach vorne gehen. Der vertikale Pass soll immer zuerst gesucht werden. Um diesen möglich zu machen, schieben die Außenverteidiger hoch und machen das Spielfeld breit. Die gegnerische Abwehrreihe soll so auseinandergezogen werden, Räume für die Vertikalpässe sollen entstehen, in die die Stürmer eindringen.
Ein Spieler, der für diese Spielweise prädestiniert ist, ist Timo Werner. Nicht umsonst hat der deutsche Nationalspieler in allen Wettbewerben 2019/20 in 45 Einsätzen 47 Scorerpunkte aufgelegt. Womit gleich das erste Problem der Leipziger auf der Hand liegt: Werner ist bereits beim FC Chelsea und wird beim Finalturnier der Champions League in Lissabon nicht mehr für RB spielen. Zwar gibt es mit Patrik Schick, Yussuf Poulsen und Christopher Nkunku solide Alternativen, doch von der Klasse des 24-Jährigen sind sie weit entfernt. Vor allem Schick und Poulsen kommen zudem viel mehr über das Körperliche und sind eher Zuarbeiter für einen Stürmer wie Werner, der nun fehlt.
Doch selbst wenn der Torjäger noch dabei wäre, hätte Atletico die Mittel, es RB verdammt schwer zu machen. Die Colchoneros sind seit Jahren unter Trainer Diego Simeone als defensiv diszipliniertes Team bekannt und höchst erfolgreich. Zuletzt biss sich der FC Liverpool im Achtelfinale der Königsklasse die Zähne an der Abwehr Atleticos aus.
Atleticos Abwehrbollwerk ist Trumpf
In der spanischen Liga landeten die Madrilenen auf dem dritten Rang, qualifizierten sich so erneut für die Champions League und hatten mit gerade einmal 27 Gegentoren die zweitbeste Defensive in der von Real Madrid und dem FC Barcelona dominierten Klasse. Im 4-4-2-System macht Atletico konsequent alle Räume dicht, wobei vor allem die vier Mittelfeldspieler entscheidend sind. Sie arbeiten 90 oder auch 120 Minuten durch, verschieben konsequent und unterstützen die Abwehr. RB wird mit dem Ball problemlos die Mittellinie überschreiten können, muss dann aber Lösungen finden, die Mittelfeldreihe zu überwinden und ins letzte Drittel vorzustoßen.
Nun ist Leipzigs Trainer Julian Nagelsmann trotz seines geringen Alters bereits einer der besten seines Fachs und wird sich mit Sicherheit etwas überlegen, um seinen Kollegen Simeone und sein Abwehrbollwerk zu überlisten. Dabei darf er aber natürlich die eigene Defensive nicht vernachlässigen, denn im Kontern ist Atletico ebenfalls brandgefährlich. Ein einziger könnte schon reichen; ganze acht Mal haben Simeones Mannen in dieser Saison mit 1:0 gewonnen – RB kein einziges Mal.
Der Modus des einen K.o.-Spiels kommt Atletico dabei auch noch wesentlich eher zugute als den Leipzigern. Nicht selten sieht man beispielsweise bei Welt- und Europameisterschaften defensiv geprägte Teams, die auf einen einzigen erfolgreichen Angriff oder eine Standardsituation setzen und Erfolg haben. Portugal wurde so 2016 Europameister, Frankreich spielte sich 2018 auch nicht gerade in einen Rausch. Apropos Standards: RB kassiert nur wenige Gegentore, fast ein Drittel davon aber durch Freistöße, Ecken oder Elfmeter. Atletico dagegen ist traditionell gut bei Standards und erzielte 16 seiner 51 Saisontore danach.
Analyse: RB Leipzig gegen Atletico Madrid ist das Duell der Gegensätze
Mit RB Leipzig und Atletico Madrid treffen am Donnerstagabend also zwei ziemlich gegensätzliche Mannschaften aufeinander. Die Spanier scheinen auf dem Papier genau die richtigen Mittel zu haben, um die Stärken der Roten Bullen zu egalisieren und sie zu schlagen. Darum wird es für Leipzig gegen Atletico schwierig werden. Dass es aber ein knappes und bis zum Schluss spannendes Duell wird, ist trotzdem zu erwarten.